Foo Fighters
Die Heavy-Metal Sgt. Pepper Odyssey
20 Jahre ist es her, dass die Foo Fighters mit ihrem zweiten Album „The Colour And The Shape“ den großen Durchbruch schafften – seitdem ist die Band aus der Rocklandschaft nicht mehr wegzudenken. Mit OXMOX sprachen sie u. a. über ihre neunte Platte „Concrete And Gold“, die in diesen Tagen erscheint.
Den 12. Juni 2015 wird Dave Grohl so schnell nicht vergessen. Der Amerikaner, der einst als Schlagzeuger der Grunge-Helden Nirvana bekannt geworden ist, spielte mit den Foo Fighters im schwedischen Göteborg, als er während des zweiten Songs „Monkey Wrench“ plötzlich von der Bühne stürzte. „Ich glaube ich habe mir gerade das Bein gebrochen. Ich gehe jetzt ins Krankenhaus und bringe das in Ordnung. Danach komme ich wieder und wir spielen noch mal für euch“, sagte er im Bühnengraben liegend. Und tatsächlich kam der 48-Jährige zur Verwunderung des Publikums wenig später zurück, um die Show mit eingegipstem Bein und Arzt auf der Bühne zu Ende zu bringen. Ein paar Konzerte mussten die Rocker anschließend absagen, weil Grohl operiert wurde und sechs Metallschrauben ins Bein bekam – danach ging’s wieder auf die Bühne. Die Tour wurde daraufhin kurzerhand zur „Break A Leg Tour“ umbenannt und Grohl spielte fortan auf einem von ihm selbst entworfenen Thron sitzend.
Gut zwei Jahre später blickt der Sänger auf jene Zeit mit gemischten Gefühlen zurück. „Am Anfang habe ich es geliebt! So etwas hatten wir schließlich noch nie gemacht und mit Gips zu spielen war eine neue Herausforderung“, erinnert er sich. „Das waren die drei Stunden des Tages, auf die ich mich freute. Den Rest der Zeit hatte ich nämlich damit zu kämpfen, dass ich nicht laufen konnte. Ich musste mir täglich Spritzen in den Bauch geben und beim Kofferpacken auf dem Po durchs Zimmer rutschen, um meine Socken zusammen zu suchen. Die Bühne war der einzige Ort, an dem ich mich wohl fühlte.“ Doch als die Tour rund 60 Shows später zu Ende ging, war die Luft raus. „Ich war mental, emotional und körperlich erschöpft“, so Grohl weiter. „Also sagte ich den Jungs, dass wir eine Pause einlegen müssen.“ Mindestens ein Jahr wollte die Band gar nichts machen. Dave Grohl verbrachte Zeit mit seiner Frau und seinen drei Töchtern, machte viele Barbecues und ließ zudem zwei bis drei Stunden Physiotherapie pro Tag über sich ergehen. Dann, nur sechs Monate später, wurde ihm langweilig und er schrieb „Run“, die erste Single des neuen und mittlerweile neunten Foo-Fighters-Albums „Concrete and Gold“.
„Ich steckte gerade mitten in der Arbeit an einem anderen Projekt, als Dave anrief und meinte es sei Zeit, dass wir uns treffen.“, erzählt Schlagzeuger Taylor Hawkins (45). „Ehrlich gesagt hatte keiner von uns damit gerechnet, dass wir so schnell wieder ins Studio gehen.“ Klammheimlich hatte Grohl an ersten Ideen gearbeitet und mir nichts, dir nichts genug Material für eine ganze Platte zusammen. Um die Texte zu schreiben, mietete er sich über AirBnB eine Bleibe in Ojai, Kalifornien. „Ich nahm eine Kiste Wein mit, saß in Unterhose mit einem Mikrofon da und habe fünf Tage nichts Anderes gemacht als zu schreiben“, so der Frontmann. „Ich war inspiriert von dem, was in der Welt so los war – politisch, als Vater, als Amerikaner und Musiker. Es gab so viele Themen, über die ich schreiben musste.“
In „The Sky Is A Neighbourhood“ zum Beispiel singt Grohl von einer schlaflosen Nacht, in der er sich Sorgen um den Zustand unseres Planeten macht, während es in „T-Shirt“ heißt: “I don’t wanna be king / I just wanna sing a love song / Pretend there’s nothing wrong“. „Ich schrieb den Song nach der ersten Pressekonferenz, die Trump nach seiner Wahl gegeben hat.“, sagt Grohl und macht keinen Hehl daraus, was er von Amerikas neuem Präsidenten hält. „Ich bin unweit von Washington, D.C. aufgewachsen, mein Vater schrieb Reden, er war politisch aktiv und arbeitet als Kampagnenmanger. Aber diese Rede war einfach verrückt. Darin steckte so viel Diversion, Konfliktpotenzial und Machtgehabe – das alles wirkte wie ein Actionfilm. Naja, jedenfalls dachte ich in dem Moment: Warum will Trump diesen Job als Präsident überhaupt jemand machen? Die Verantwortung, die das Amt mit sich bringt, ist doch der Wahnsinn. So kam mir die Zeile in den Sinn: Ich will nicht König sein, ich will bloß Lieder schreiben!“
Das kann Grohl schließlich am besten. „Concrete And Gold“ ist zweifellos das bisher epischste Album der Foo Fighters: Voll mit harten Riffs, aber auch ganz viel Pop-Appeal. Das liegt daran, dass die Gruppe die Platte mit Greg Kurstin aufgenommen haben. Der Produzent ist vor allem für Nummer-Eins-Hits wie „Hello“ von Adele, „Blow Me (One Last Kiss)” von Pink oder „Stronger“ von Kelly Clarkson bekannt. Er selbst hat mit The Bird and the Bee ebenfalls eine Band, in die Grohl sich vor einiger Zeit Hals über Kopf verliebte. Kurstins Sinn für Melodien, Harmonien und Arrangements hatte es ihm angetan. „Ich dachte mir: ich kann mich um die harten Parts kümmern. Wenn Greg die fetten Riffs um dieses Bird and the Bee Ding ergänzt, dann kommt dabei das Album raus, das ich immer machen wollte.“ Eine „Heavy-Metal Sgt. Pepper Odyssey“ habe Grohl vorgeschwebt – und etwas Ähnliches kam tatsächlich heraus. Die ausladenden Arrangements und Backing-Vocals sorgen dafür, dass viele Songs trotz der harten Riffs Erinnerungen an die Beatles, Queen oder Pink Floyd wachrufen.
Weil die Foo Fighters den Silberling in den EastWest Studios in Hollywood aufnahmen, sind eine Menge Gäste zu hören: Paul McCartney spielt Schlagzeug auf „Sunday Rain“, während Alison Mosshart von The Kills die Backingvocals auf „La Dee Da“ beisteuerte und – Achtung! – Shawn Stockman von Boyz II Men für den ausladenden Chor des Titelsongs über 30 Vocaltracks aufnahm. „Wie bei den meisten Kollaborationen hatte Dave ihn einfach auf dem Parkplatz getroffen und gefragt, ob er nicht Lust hätte, etwas zu singen.“, so Taylor Hawkins. „Auch Inara George von The Bird and the Bee und der Saxophonist Dave Koz, ein Freund von Daves Frau, sind auf dem Album zu hören.“ Und „der größte Popstar überhaupt“, dessen Identität die Band bisher noch nicht preisgeben wollte. „Lady Gaga ist es jedenfalls nicht.“, grinst Hawkins.
Doch zurück zum Titeltrack: Bei allen Sorgen, die Grohl sich im Rahmen der Albumaufnahmen über den Zustand unserer Welt gemacht hat, scheint in jenem Stück die Hoffnung durch. „Das ist bei den Foo Fighters oft so.“, sagt er. „Die Stimmung oder das Thema unserer Alben ist vielleicht melancholisch, aber ich versuche immer ein bisschen Licht da rein zu bringen. Es muss doch einen Ort geben, an dem es mehr Liebe und Mitgefühl gibt, oder? Ich habe die Hoffnung jedenfalls noch nicht aufgegeben.“
Um selbst für ein bisschen Liebe zu sorgen, planen die Foo Fighters im Oktober erst mal das „Cal Jam 17“ in der Nähe von Los Angeles. Bei dem Festival stehen sie nicht nur selbst auf der Bühne, sondern auch befreundete Bands und Künstler wie Queens Of The Stone Age, Liam Gallagher, Royal Blood und The Kills. Eine Art „überdimensionale Release-Party“, so Hawkins, die passenderweise mit dem 20. Jubiläums von „The Colour And The Shape“, dem Durchbruchsalbum der Foo Fighters eingeht. Im Rockgeschäft gehört die Band damit längst zu den alten Recken. Eine Tatsache, mit der sie im Video zur eingangs erwähnten Single „Run“ spielen: Darin treten Grohl und Co. nämlich in einem Altenheim auf. „Es ist doch irgendwie ironisch, dass wir diese raue, harte Rockplatte aufgenommen haben, während all die jungen Kids irgendwelchen komischen Achtziger-Jahre-Pop machen.“, lacht Hawkins. „Deswegen haben wir uns in dem Video noch älter gemacht. Als meine Kinder mich mit dem Make-Up sahen, meinten sie nur „Dad, das ist ekelhaft“. Aber hey, gewöhnt euch dran, es wird passieren! Und es ist gut möglich, dass wir dann noch auf der Bühne stehen.“. Wollen wir doch hoffen!