MARTERIA –
ZUM GLÜCK IN DIE ZUKUNFT II
Gold für „Zum Glück In Die Zukunft“ (2010), Platin für „Lila Wolken“ (2012). Marteria (31) gehört aktuell zu den erfolgreichsten Künstlern der deutschsprachigen Musikwelt, und zu den Vorreitern des modernen HipHop. Dreieinhalb Jahre nach seinem Erstling ist der Rostocker mit „Zum Glück In Die Zukunft II“ zurück: Angriffslustig und nachdenklich, humorvoll und melancholisch. Ein Album, das von Lebensentwürfen und Lebensbewältigung handelt, von der Revolution und vom Reisen, vom Erwachsenwerden und davon, auf ewig Kind zu bleiben …
EVOLUTION WIRD MIT »R« GESCHRIEBEN
Wo andere Rapper die Stadion-Opulenz für ihr Genre entdecken, lässt Marteria mutigen Minimalismus walten. Die Musik besinnt sich auf ihre Wurzeln: Kopfnicker-Beats und knusprige Dilla-Drums, brachiale Basslines und viel Atmosphäre. Klagende Vokalfetzen, Maschinengeräusche und warme Rhodes, Sirenen, Synthies und 808-Gedonner. Gleichzeitig ist „Zum Glück In Die Zukunft II“ eine textlastige Platte, ein Album zum bewussten Anhören, zum darin Versinken.
Neben der melancholischen Seite gibt es auch eine aggressive, aufrührerische Ebene. „Bengalische Tiger“ klingt, als tanzten Timbaland und M.I.A. in der Wüste um den »Burning Man« herum. Diese bedrohliche Energie kommt von den Erfahrungen, die Marteria auf seinen Reisen der letzten Jahre sammelte. „Das Thema der Platte ist die Welt“, sagt er. „Seit das letzte Album draußen ist, sind wir gereist.“ Auf diesen Trips sind Songs entstanden. Zum Beispiel, als Marteria mit seinem Musikerkollegen Maeckes für die gemeinnützige Organisation Viva Con Agua e.V. in Uganda war. Oder als er mit den Toten Hosen in Argentinien war, um an deren letzten Album „Ballast Der Republik“ mitzuarbeiten. Hier hat Marteria auch eigene Songs geschrieben, wie z. B. „Welt der Wunder“, einer Ode an die ewige Neugier der rastlos Suchenden: „Wir leben auf einem blauen Planet, der sich um einen Feuerball dreht/mit einem Mond, der die Meere bewegt/und du glaubst nicht an Wunder?“ Von Südamerika über Alaska bis in den Himalaya, von Chile über Island nach Ostafrika sind Marteria und sein Fotograf und Seelenverwandter Paul Ripke gereist. Die beiden Freunde sammeln Länderpunkte: Für jede Nation, in der man zumindest einmal übernachtet hat, bekommt man einen Punkt. Marteria hat bislang 41 gesammelt.
In „OMG!“ singt Marteria, er sehe Gangster wie Emos auf der Suche nach Sinn — ein offensiver Kommentar zum Kultur-Geschehen, und eine breitbeinige Feststellung, aus der eine eigene Positionierung folgen muss. „Politik ist wichtig“, findet er. „Die Realität besteht eben nicht nur aus Abfeierei im Club. Auf der Welt passiert so viel Scheiße, und die Leute lassen sich nicht alles gefallen. Irgendwann kommt das auch bei uns an, was man gerade in Griechenland, Spanien oder Brasilien sieht. Wir sind nicht sicher.“
ICH GEH VORNE WEG, BIN PIONIER
Als der erste Teil der Science-Fiction-Komödie „Zurück In Die Zukunft“ mit Michael J. Fox erschien, war Marten Laciny gerade einmal drei Jahre alt. Kein Wunder, dass er den Nachfolger von 1989 lieber mochte – immerhin ging er da schon zur Schule. Wir wollen die Geschichte vom Ex-U17-Nationalspieler, Ex-Model und Ex-Schauspielschüler nicht noch einmal herunterbeten. Eines impliziert sein sprunghafter Lebensweg eindeutig: Der sichere Weg kam für Marteria nie in Frage. Auch musikalisch sucht er auf „Zum Glück In Die Zukunft II“ den Pfad der Innovation. In einer Tradition mit den großen Erneuerern des Genres – von Outkast über Kanye West bis Kendrick Lamar – bricht er traditionelle Songstrukturen zugunsten aufwändiger Arrangements auf. Stets passiert irgendwo was, manchmal einiges, manchmal alles …
Trotzdem ist „Zum Glück In Die Zukunft II“ keine verkopfte Kunstplatte geworden. Dafür liebt Marteria den Pop zu sehr. Er verpasst bewährten Rezepten ein raffiniertes Update: So ist die Single „Kids (2 Finger an den Kopf)“ eine Hymne für die Generation, die er mit „Verstrahlt“ oder „Lila Wolken“ porträtiert und begleitet hat. Nur hat 2014 keiner mehr Bock zu kiffen und zu saufen, alle ziehen aufs Land, machen Urlaub in Schweden, essen Salat und haben Jobs. Am anderen Ende des Spektrums steht das selbstzerstörerische Trinklied „Die Nacht Ist Mit Mir“, das treffsicher den tragischen Moment auf der Party einfängt, wenn alle gegangen sind und man sich in Selbstmitleid suhlt, bis es hell wird. Zum Schluss stimmt Campino in den tragischen Chor mit ein: „Jeder Schluck macht Glück, Glück, Glück.“ Persönliche Momente und politische Anliegen teilt man nicht mit entfernten Bekannten, sondern mit echten Freunden. Zu Gast sind neben Campino auch Yasha und Miss Platnum, die längst zur erweiterten Familie gehören. Genau wie The Krauts, die „Zum Glück in die Zukunft II“ wie den Vorgänger produziert haben. Natürlich taucht auch Marterias grüner Zwillingsbruder Marsimoto kurz auf, um Anarchie und Chaos zu verbreiten.
„Zum Glück In Die Zukunft II“ bedeutet keine Verklärung der eigenen Jugend und keine Glorifizierung von Unbekümmertheit. Stattdessen: Das reife Statement eines Hip Hop-Künstlers, mit der Welt im Blick!
Marteria live – am 18. März in der Sporthalle!
Text: Stephan Szillus






