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Bands & Wettbewerbe

Es scheint tief in uns Menschen verwurzelt zu sein: wir müssen uns messen. Offenbar ist es extrem wichtig zu wissen, wer der Bes­sere, Schnellere, Stärkere oder Schlauere ist. Ein evolutionärer Drang sich zu behaupten und abzuheben, der sich durch alle Gesell­schaftsschichten zieht – und sogar unsere Kultur prägt. Immer wieder streiten sich Ex­perten zum Beispiel darüber, wer denn nun der beste Gitarrist oder der beste Maler aller Zeiten ist. Obwohl wir doch eigentlich wis­sen, dass Musik bzw. Kunst Geschmackssa­che ist. Wenn man sich allerdings die Viel­zahl der dümmlichen Castingshows im Fern­sehen anschaut, bekommt man einen ganz anderen Eindruck … Diese überflüssigen For­mate prägen eine perfide Illusion von Musik als Wettkampf – als wäre Musik etwas Mess­bares, ausgelegt auf Versagen oder Gewin­nen. Wie wäre es, wenn wir unsere Lieblings­bands gegeneinander antreten lassen? Stellen wir uns das Finale einer Show mit Pink Flo­yd, Radiohead, Neil Young und The Mars Volta vor …

Abgesehen davon, dass die Umbaupausen ca. sechs Stunden dauern würden (bei Pink Flo­yd wohl zwei Tage), könnte man sich dieses Spektakel lustig vorstellen: Der Jury, beste­hend aus diversen – mehr oder weniger – Sachverständigen aus Funk und Fernsehen, fällt das Urteilen natürlich schwer. Denn auch wenn alle Bands auf ihre Art überzeu­gen, gibt es auch leider viel auszusetzen. Man kann sich das ein wenig wie bei „DSDS“ vorstellen – jeder kriegt sein Fett weg: „Also zu euch Flink Ployd, äh Pink Floyd, ist ja ganz nett was ihr macht, nette Melodien, aber diese langen Intros, muss das sein? Au­ßerdem steht ihr da wie depressive Uni-Pro­fessoren. Ihr müsst das Publikum mehr ani­mieren und Blickkontakt aufnehmen. Jetzt zu euch, Radiohead. Was stimmt nicht mit eu­ch? Diese Berge an Equipment, dazu echt un­verständliche, kryptische Texte. Der Gesang ist schlecht intoniert und richtig bewegen könnt ihr euch auch nicht … Und mal ´ne persönliche Frage: Auf welchen merkwürdi­gen Drogen seid ihr unterwegs? Jetzt zu der weinerlichen alten Frau mit der Akustik-Git­arre. Ich würde erstmal lernen, die Gitarre zu stimmen, die Mundharmonika und den Hut würde ich weglassen – dann könnte es was werden … Die Mitleidsnummer verkauft sich ganz gut. Noch ein Vorschlag für den Kün­stlernamen: Neil Old! Zu guter Letzt meine Sorgenkinder: The Mars Volta. Furchtbar schräge Performance, ihr spielt alle völlig durcheinander, seid total verstört und soliert alle gleichzeitig. Am allerschlimmsten ist das hektische Gekreische – das kriegen wir nichtmal bei mir im Studio hin …“

Wie ihr bemerkt, ist für Charakter und Eigen­arten in diesem flimmernden Medienzirkus kaum Platz. Diese Formate sind nicht auf Nachhaltigkeit ausgelegt. Wozu auch, wenn Frischfleisch mehr Profit bringt, ist es klar, dass Eintagsfliegen produziert werden. Erst werden Wünsche erzeugt, dann werden die Träume wieder zertreten. Dies sind die nega­tiven Versionen des musikalischen Wettkam­pfs. Doch genau wie Hiphop aus Competition entstanden ist, kann ein gesunder Konkur­renzkampf auch befruchten und weiterbrin­gen. Ich glaube zum Beispiel, dass dies einer der Hauptgründe dafür ist, warum es eine be­achtliche Zahl erfolgreicher Bands gibt, in denen Geschwister spielen: Oasis, AC/DC, Jackson 5, Arcade Fire, Stone Temple Pi­lots, Kings of Leon, The Hives, The Allman Brothers, BeeGees, Abba, Radiohead … Ei­ner der Brüder muss angefangen haben zu musizieren und einer muss talentierter bzw. weiter gewesen sein, was den anderen ange­stachelt hat … Aber das sind nur Mutmaßun­gen – und wer könnte schon sagen, ob Angus oder Malcolm Young besser sind. Und wozu auch? Beide haben ihre Rollen gefunden; Malcolm ist die Rhythmus-Maschine im Hintergrund, der die eingängigen Riffs schreibt, und Angus ist die Rampensau, der die markanten Soli spielt.

Besser oder schlechter ist relativ – bei Musik kommt es eher darauf an, ob Emotionen transportiert werden; die technischen Fähig­keiten sind nur das Vehikel. Diese Faszina­tion beschäftigt viele von uns. Die Begeister­ung für Musik – wie auch immer man sie auslebt; ob tanzend, singend oder zuhörend – ist tief in uns Menschen verwurzelt und im­mer auch etwas sehr Persönliches.