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Betr. Patrice – Statement zu Band Aid 30

Nachdem ich das fertige Video zu „Do they know it’s Christmas – German Version“ gese­hen habe, muss ich feststellen, dass meine Zusage zur Teilnahme wohl überstürzt war. Dass der Song rein musikalisch gesehen nicht der große Wurf ist, war mir ja klar … Ich bin jedoch schockiert über die Anfangssequenz des Videos. Man hatte mir zugesichert, dass sie rausgeschnitten wird. Die Würde der da­rin gezeigten Frau wird vollkommen missachtet. … Ich möchte nicht, dass jemand zur Erzie­lung eines Schockeffekts auf derart entwürdi­gende Weise instrumentalisiert wird. Auch nicht für einen guten Zweck. Ich habe viele Verwandte in Sierra Leone, einem der stark betroffenen Länder. Die Verbreitung von krassestem „Charity Porn“, wie in der An­fangssequenz des Videos gezeigt, geht mir daher besonders nah. Ich kann und will das nicht schweigend hinnehmen.

Das „Band Aid 30“-Logo, das einen Ebola-Slogan vor den Konturen des gesamten afri­kanischen Kontinents zeigt, ist zudem im besten Fall gedankenlose Effekthascherei, im schlimmsten Fall Propaganda, die in ihrer zerstörerischen Kraft nicht zu unterschätzen ist. Ebola hat in drei relativ kleinen Ländern eines riesigen, aus 54 Nationen bestehenden Kontinents epidemische Ausmaße erreicht. Dass 99% des Kontinents nicht betroffen sind, wird durch das „Band Aid 30“-Logo komplett überlagert. Ebenso, dass zum Bei­spiel in Senegal und Nigeria Ebola erfolg­reich bekämpft und bezwungen wurde, und zwar ganz ohne Hilfe von außen.

Mir war früh bewusst, dass das Projekt ei­ne kritische Debatte auslösen würde, und ich verfolge diese mit Spannung und durchaus auch mit Zuversicht, weil mir Austausch und Kritik zu diesen Themen enorm wichtig sind. Umso weniger Verständnis habe ich für die Art, wie Bob Geldof mit der Kritik an dem Projekt umgeht und diese pauschal als Un­sinn abwiegelt. Ihm steht es nicht zu, bei­spielsweise Adele öffentlich dafür zu kriti­sieren, dass sie an seinem Projekt nicht teil­genommen hat. Manche Künstler ziehen es halt vor, in aller Stille zu helfen. … Dass hier öffentlich Druck auf Künstler ausgeübt wird, sich unbedingt an „Band Aid 30“ zu beteili­gen, kann ich nicht akzeptieren. Mir ist be­wusst, dass ich einigen Menschen mit diesem Statement auf die Füße treten werde. Ich weiß, dass die meisten meiner Kollegen mit den besten Absichten an dem Projekt teilge­nommen haben. … Die oben angesprochenen Verfehlungen neutralisieren in meinen Augen die Leistung aller Teilnehmer an „Band Aid 30“ komplett. Im schlimmsten Fall verkehrt sich die erhoffte Wirkung sogar ins Gegen­teil. Ich habe mich bei der Zusage von mei­nem Bauchgefühl leiten lassen, da es um ei­nen guten Zweck ging und die richtigen Leu­te mit an Bord waren. So wie das Projekt je­doch, nach Vorgaben aus England, umgesetzt wurde, muss ich aus heutiger Sicht leider sagen, dass „Band Aid 30“ genau für die Art von „Hilfe“ steht, gegen die ich mich seit Jah­ren verwehre. Heute sagen mir mein Bauch und mein Verstand, dass ich besser nicht teil­genommen hätte. Patrice