Ihre Albumcover gehören zum Allgemeingut der Popkultur, Songs wie „Money“ oder „Wish You Were Here“ werden von Radiosendern, Amateurbands und CD-Playern auf der ganzen Welt gespielt. Pink Floyd sind eine der beliebtesten Musikgruppen. Ihre Geschichte ist vom Erfolg genauso geprägt, wie von Tragik, Streitereien und Machtspielen …
London, 1964: Der Architekturstudent Roger Waters (B.) gründet mit seinen Kommilitonen Nick Mason (Dr.) und Richard „Rick“ Wright (Key.) die Coverband Sigma 6. Es dauert nicht lange, bis der talentierte Gitarrist Syd Barrett dazukommt und The Pink Floyd Sound entsteht. Der Name geht auf die Bluesmusiker Pink Anderson und Floyd Council zurück – die Lieblingssänger von Syd. Die vier Jungs machen sich im Londoner Underground als experimentierfreudige Liveband schnell einen Namen, sind dem großen Publikum aber noch völlig unbekannt – das soll sich bald ändern. Während die Beatles im Frühling 1967 in den Londoner Abbey Road Studios an „Sgt. Pepper´s Lonely Hearts Club Band“ schrauben, nimmt das Quartett um Syd Barett nebenan sein Debütalbum auf. Als mitten im „Summer of Love“ „The Piper At The Gates Of Dawn“ erscheint, wird eine der erfolgreichsten Bands geboren: Pink Floyd. Die elf Songs der ersten Platte stammen hauptsächlich von Barrett, der als Leadgitarrist, Songwriter und Sänger zum Aushängeschild der Gruppe wird. Er prägt den futuristischen, spacigen Sound und schreibt mit Liedern wie „Astronomy Domine“ und „Interstellar Overdrive“ Klassiker des Psychedelic-Rock. Doch der Erfolg währt für Syd nur kurz.
Die psychische Gesundheit des damals 21-Jährigen verschlechtert sich dramatisch, die unkontrollierten Experimente mit LSD und anderen Halluzinogenen führen zu Realitätsverlust. Auch der plötzliche Erfolg und die damit verbundene Verantwortung machen ihm zu schaffen. Während Liveauftritten vergisst der als schizophren geltende Barrett die einfachsten Gitarrengriffe, oft steht er regungslos auf der Bühne und spielt keinen Ton. Waters, Wirght und Mason beschließen, Syds langjährigen Freund David Gilmour an Bord zu holen (beinahe wäre die Wahl auf Jeff Beck gefallen). Der Gitarrist soll den unzuverlässigen Barrett auf Konzerten ersetzen. Als dieser immer instabiler wird und nicht mal mehr als Studiomusiker und Songwriter zu gebrauchen ist, wird beschlossen ohne ihn, den einstigen Frontmann und kreativen Kopf von Pink Floyd, weiterzumachen. Die letzte Studiosession mit Syd ist repräsentativ für dessen Unberechenbarkeit: Er zeigt Waters und Co. seine neue Komposition namens „Have You Got It Yet? („Habt ihr es schon gecheckt?“). Die Band folgt den musikalischen Anweisungen Syds, doch mit jedem Take wird die Struktur des Songs komplexer und merkwürdiger. Schließlich merken Roger, Rick und Nick, dass Syd, ohne es ihnen zu sagen, ständig die Akkorde und Geschwindigkeit ändert und es für den Rest der Band deshalb unmöglich ist, das Lied zu lernen. Dabei verspottet Barrett seine Bandmitglieder mit der einzigen Zeile des Songs: „Have You Got It Yet?“ Als Waters dem verrückten Streich auf die Schliche kommt, ist er schockiert. Der Verlust des engen Freundes an die Geisteskrankheit wird die nächsten Werke der Band durchziehen und kommt auf Alben wie „The Dark Side Of The Moon“ und „Wish You Were Here“ deutlich zum Ausdruck.
Auf dem Nachfolger zu „Piper“, der Platte „A Saucerful Of Secrets“ (1968), ist nur noch ein einziges Stück von Barrett zu finden: „Jugband Blues“. Der Rest stammt hauptsächlich von Waters und Gilmour, die als neues Songwriter-Duo versuchen, die große Lücke zu füllen. Dies gelingt ihnen nur teilweise. Die Musik von Pink Floyd wird immer experimenteller und unzugänglicher, die Band scheint sich auf der Suche nach ihrem eigenen Sound verlaufen zu haben. Das Doppelalbum „Ummagumma“, zur Hälfte live, zur Hälfte im Studio aufgenommen, wird Jahre später von Roger Waters als „Katastrophe“ bezeichnet. Auch David Gilmour findet es „schrecklich“, für Nick Mason ist es ein „gescheitertes Experiment“. „Atom Heart Mother“ (1970) kommt nicht besser davon. Das erste Progressive-Rock-Album von Pink Floyd verbindet einen klassischen Chor und Orchester mit psychedelischen Soundeffekten und Elementen aus Folk und Jazz. Das Ergebnis: „Ein Haufen Müll“ (Gilmour)
Mehr als drei Jahre dauert es, bis Pink Floyd den tragischen Abgang des verrückten Genies Syd Barrett verarbeitet hat und zu alter Stärke zurückfindet. „Meddle“ gilt für Fans und Kritiker als das erste echt gelungene Werk seit dem Debüt und wurde von Waters, Gilmour und Co. als jenes Album bezeichnet, auf dem die Zusammenarbeit zwischen den Bandmitgliedern am besten gelungen ist. Dies wird auf dem 23-minütigen „Echoes“ deutlich, einem der kreativen Höhepunkte Pink Floyds. Rückblickend lassen sich auf „Meddle“ bereits viele Ansätze zu den späteren Meisterwerken der 70er erkennen.
Eines davon erscheint 1973 und wird zum Meilenstein in der Floyd-Diskografie. Inspiriert von der tragischen Geschichte seines Freundes Syd entwirft Roger Waters ein Konzeptalbum, auf dem die Frage beantwortet wird, was einen Menschen wortwörtlich in den Wahnsinn treiben kann. Waters, Gilmour, Mason und Wright verbringen acht Monate im Studio, experimentieren mit neuen Aufnahmetechniken, Soundeffekten und Klangcollagen. Es entsteht das wohl bekannteste Album der Band: „The Dark Side Of The Moon“. Da die Bluesrocker Medicine Head nur wenige Monate vor Erscheinen der LP eine Platte mit dem gleichen Namen veröffentlicht hatten, wäre der Titel beinahe zu „Eclipse“ umgeändert worden. Das Medicine–Head-Album hat jedoch keinen kommerziellen Erfolg, sodass es bei dem ursprünglichen Namen bleibt. Umso besser kommt die Pink–Floyd-Platte an: Mit mehr als 50 Millionen verkauften Einheiten ist nur Michael Jacksons „Thriller“ erfolgreicher. „The Dark Side Of The Moon“ hielt sich fast 15 Jahre am Stück in den Charts – ein Rekord! Songs wie „Money“ und „Time“ gelten als Genre-Klassiker und werden bis heute auf Radiostationen der ganzen Welt gespielt. Und das Album ist noch mehr, als nur die Summe seiner Teile: die einzelnen Lieder werden durch das zugrunde liegende Konzept thematisch zusammengehalten, während die vielen, teilweise mysteriösen Soundeffekte wie das Pochen eines Herzens, schrillende Wecker, das Klingeln einer Kasse und Interview-Schnipsel zur klanglichen Einheit beitragen. Toningenieur Alan Parsons ist für die ausgezeichnete Produktion verantwortlich und gründet, nachdem er mit „The Dark Side Of The Moon“ bekannt geworden ist, die Progressive-Rock-Band The Alan Parsons Project. Neben der Musik ist auch das legendäre Prisma-Cover ein Grund für den Erfolg. Dieses wurde, wie die meisten Floyd-Alben seit 1968, von dem Grafikdesigner Storm Thorgerson entworfen. Einem Schulkameraden von Waters und Barrett, der auch mit Bands wie Led Zeppelin, Black Sabbath und Genesis zusammenarbeitet. Bis heute ranken sich viele Legenden um das Album. Eine als „The Dark Side Of The Rainbow“ bekannte Theorie besagt, dass es Momente gibt, in denen sich der Film „The Wizard Of Oz“ (1939) und die Pink–Floyd-Platte entsprechen. Obwohl dies von Roger Waters und David Gilmour dementiert wurde, gilt das Album als inoffizieller Soundtrack zu dem Kinoklassiker. „The Dark Side Of The Moon“ macht Pink Floyd über Nacht bekannt und wird für die Band alles verändern – im Guten wie im Schlechten.
Zwei Jahre später kommt mit „Wish You Were Here“ das neunte Studioalbum in die Läden. Neben dem melancholischen Titeltrack enthält es auch „Shine On You Crazy Diamond“, ein 25-minütiges Tribut an Syd Barrett. Während die Band mit dem Abmischen des Stückes beschäftigt ist, besucht dieser unangekündigt das Studio. Der zurückgezogen lebende Syd hat sich so sehr verändert, dass seine einstigen Freunde und Bandmitglieder ihn anfangs nicht erkennen: Er hat zugenommen, trägt eine Glatze und hat sich die Augenbrauen abrasiert. Sein verrücktes Verhalten ist geblieben – während des Besuchs verbringt er die meiste Zeit damit, sich im Studio die Zähne zu putzten und inhaltslose Selbstgespräche zu führen. Nick Mason erzählt Jahre später, er sei entsetzt gewesen. Als Roger Waters ihn fragt, was er von dem ihm gewidmeten „Shine On“ hält, sagt Barret nur, es klinge ein bisschen alt. Keines der Bandmitglieder von Pink Floyd wird ihn je wiedersehen. Syd Barrett zieht zu seiner Mutter nach Cambridge, wo er seine Zeit als Hobbygärtner verbringt und 2006 im Alter von 60 Jahren stirbt.
Anfang 1977, als die Punk-Bewegung ins Rollen kommt, veröffentlichen Floyd ihre zehnte Platte: „Animals“. Das politischste und härteste Material, das die Band je geschrieben hat. Waters, von dem alle Texte stammen, teilt die Menschen in drei Kategorien auf: „Dogs“, „Sheep“ und „Pigs“. Eines der „Schweine“ ist die britische, konservative Politikerin Mary Whitehouse, die in dem Lied persönlich attackiert wird. Obwohl die Kritiker das Album anfangs nicht so sehr feiern wie den Vorgänger „Wish You Were Here“, gehört „Animals“ heute zu den Favoriten vieler Fans. Während des letzten Konzerts der dazugehörigen Tour kommt es zu einem Zwischenfall, der ausschlaggebend für das nächste Album sein soll: Roger Waters, von einer Gruppe lauter und provozierender Fans in der ersten Reihe genervt, spuckt diese mehrmals an. Er phantasiert von einer Mauer, hinter die er sich vor den Zuschauern und dem Ruhm flüchten kann. So entsteht das Konzept zum Doppelalbum „The Wall“.
Diese ist nach „The Dark Side Of The Moon“ die meistverkaufte LP von Pink Floyd und enthält mit „Comfortably Numb“ und „Another Brick In The Wall (Part Two)“ zwei der bekanntesten Rocksongs. Das Konzeptalbum erzählt die Geschichte des Rockstars Pink. Der Tod des Vaters im Krieg, die Verhätschelung durch die Mutter und der Ehebruch seiner Frau führen dazu, dass er sich hinter einer imaginären Mauer versteckt, die ihn schließlich komplett isoliert und in den Wahnsinn treibt. Neben Roger Waters´ eigenen Erfahrungen dient, wie so oft, auch Syd Barretts Schicksal als Inspiration. Bereits der Vorgänger „Animals“ hatte die Waters-Ära eingeläutet, auf „The Wall“ wirkt David Gilmour nur noch bei drei Liedern mit – die restlichen 23 stammen von Roger. Die Verhältnisse zwischen den Bandmitgliedern verschlechtert sich immer mehr, Gilmour ist unzufrieden mit seiner untergeordneten Rolle. Nach diversen Streitereien mit Mason und Waters verlässt Rick Wright offiziell die Band, hilft aber als Studiomusiker bei der Fertigstellung von „The Wall“. Ein Jahr später, 1978, folgt der gleichnamige Film. Eigentlich wollte Roger Waters die Hauptrolle spielen, zusammen mit dem Regisseur Alan Parker wurde aber beschlossen, den Musiker Bob Geldof zu engagieren.
„The Final Cut“ (1983), die erste Platte ohne Wright, wird von vielen Fans als Waters-Soloalbum bezeichnet. Wieder schreibt er alle Songs, Gilmour und Mason haben keinen kreativen Einfluss und wirken eher als Studiomusiker. Auf der Coverrückseite ist der vielsagende Schriftzug „by Roger Waters performed by Pink Floyd“ zu finden. Nachdem das Album fertiggestellt ist, verlässt Waters die Band. Er widmet sich, wie Gilmour und Mason, einer Solokarriere. Ein neues Pink–Floyd-Album scheint damals unmöglich.
Im Herbst 1987 werden Fans mit „A Momentary Lapse Of Reason“ überrascht. Roger Waters ist nicht beteiligt und bezeichnet das Konzept und die Texte des Albums als „Müll“. Er zieht sogar vor Gericht und will verhindern, dass der Name Pink Floyd von seinen ehemaligen Kollegen weiterhin genutzt wird – vergeblich. Sieben Jahre später erscheint „The Division Bell“, das vorerst letzte Floyd-Album. „High Hopes“, der beste und abschließende Track, fasst die lange Bandgeschichte zusammen und endet mit der Zeile „Forever and ever“ – Pink Floyds Musik soll für immer und ewig weiterleben.
Im Rahmen des „Live 8“, einem weltweiten Benefizkonzert, tritt die Band 2005 erstmals seit elf Jahre wieder gemeinsam auf. Sogar Roger Waters (heute 73), der sich mehrmals negativ über Gilmour (heute 71) geäußert hatte, lässt sich zu der vier Songs dauernden Wiedervereinigung überreden. 2008 stirbt Rick Wright mit 65 Jahren an Krebs. Die Fans haben sich mit dem Ende des zur Legende gewordenen Quartetts abgefunden. Überraschend erscheint 2014 ein letztes Album: „The Endless River“ entsteht als Tribut an Wright und enthält einige seiner Aufnahmen, die für „The Division Bell“ nicht verwendet wurden. Mit dieser Platte, die ohne Beteiligung von Waters fertiggestellt wurde, endete die aktive Zeit von Pink Floyd. Doch Fans dürfen sich freuen: Am zweiten Juni erscheint mit „Is This The Life We Really Want?“ das neue Waters-Soloalbum – das erste seit 25 Jahren! Außerdem hat Roger ein Anti-Trump-Video mit der Zeile „Der Widerstand beginnt jetzt“ veröffentlicht und plant mit „The Wall“ ein Konzert in den USA, um gegen Donald Trumps Einwanderungspolitik und seine Pläne für eine Mauer an der Grenze zu Mexiko zu demonstrieren. Das 1979 veröffentlichte Konzeptalbum sei „nun mit Mr. Trump und seiner Forderung, Mauern zu errichten und zwischen Rassen und Religionen so viel Feindschaft wie möglich zu entzünden, eine sehr relevante Angelegenheit“. Die Legende Pink Floyd lebt, „forever and ever“ …
Lucas Pietrapiana