Die aktuelle Auseinandersetzung über die Frage, in welche Richtung es gesellschaftlich gehen soll, brennt uns allen unter den Nägeln. Mit Erschrecken können wir feststellen, dass sich mit der AfD eine offen rassistische, sexistische und nationalistische Partei etabliert, die den Diskurs – beispielsweise um die Solidarität mit Geflüchteten – mit zugespitzten menschenfeindlichen Positionen weiter nach rechts verschiebt. Der Nährboden für diese Entwicklung ist die zunehmende soziale Ungleichheit und Entsicherung der Lebensverhältnisse von großen Teilen der Bevölkerung. Spätestens seit der weltweiten Finanzkrise verliert der neoliberale Status Quo den Boden unter den Füßen, die Versprechen, der Markt regele es schon und dass sich jeder selbst der Nächste sei, überzeugen immer weniger. Das ist auf der einen Seite gut, denn die Politik der Privatisierungen und des Sozialstaatsabbaus ist tatsächlich gegen das Gemeinwohl gerichtet und untergräbt den Anspruch auf ein gutes Leben. Die Entscheidungssituation wird aber leider zunehmend reaktionär beantwortet und viele Menschen stärken der brutaler auftretenden gesellschaftlichen Rechten den Rücken. Wir dürfen uns davon aber nicht entmutigen lassen! Gegen diese Tendenzen gibt es auch ermutigende Zeichen: Ob in der massenhaft vertretenen Flüchtlingssolidarität, dem Widerstand gegen TTIP & Ceta oder den engagiert geführten Auseinandersetzungen für bessere Arbeitsbedingungen und die Ausfinanzierung der öffentlichen Daseinsfürsorge – zu einer Polarisierung gehören mehrere Seiten. Jetzt sind alle gefordert, sich dafür einzusetzen und zu überzeugen, dass die aktuelle Krise sozial gelöst wird. Was aber kann das – auch mit Blick auf die Universitäten – bedeuten? Ein wirksamer Antifaschismus kann sich nicht darin erschöpfen, gegen Nazis und Rechtspopulisten auf die Straße zu gehen: Wie wir festgestellt haben, beziehen die geschürten „Ängste“ und rechte (V)Erklärungsmuster ihre Schlagkraft aus den realen sozialen Verwerfungen. Es gilt deshalb überall – in der Familie, Nachbarschaft, im Betrieb oder in der Schule – sich gemeinsam für die Verbesserung der Lebensbedingungen einzusetzen und rechten Deutungen damit die Grundlage zu entziehen.
Man kann diesen Prozess der sozialen Entsicherung und anschließenden politischen Polarisierung auch an den Auseinandersetzungen darum, was Studium sein soll, nachvollziehen. Mit der Einführung der Bologna-Studiengänge Mitte der 90er wurde der Versuch gestartet, die Hochschulen stärker von einem Ort des gemeinsamen Lernens und der Bildung zur kritischen Mündigkeit zu einer Ausbildungsstätte umzuwidmen. Frei nach dem Verständnis von Studierenden als Produktionsfaktor „Humankapital“ wurden Lehrinhalte und Lernpfade vereinheitlicht und mit gestuften Bachelor- und Masterabschlüssen für „Masse“ und „Elite“ die Studierenden einander als Konkurrenten gegenübergestellt. Erkenntnisse, kritische Handlungsfähigkeit und das Herausbilden von individuellen Interessen können aber nicht in Credit Points aufgewogen werden. Diese Vorstellung davon, was Bildung sei, ist Quark, weil sie die tatsächlichen gesellschaftlichen Herausforderungen, wie die Notwendigkeit von Persönlichkeitsentfaltung und Solidarität oder die Überwindung von Armut, Ausbeutung oder Krieg, nicht adressiert. Die Uni Hamburg beispielsweise definiert ihre Aufgabe in ihrem Leitbild von 1998 wie folgt: „Ihren Bildungsauftrag sieht die Universität in der Entwicklung von Sachkompetenz, Urteilsfähigkeit und der Fähigkeit zu argumentativer Verständigung auf wissenschaftlicher Grundlage. Für alle Menschen will sie ein Ort lebenslangen Lernens sein und ein öffentlicher Raum der kulturellen, sozialen und politischen Auseinandersetzung.“ Es ist also, entgegen der verordneten Bologna-Reform und der andauernden Unterfinanzierung des Wissenschaftsbetriebs, schon einiges entwickelt. Das wird zunehmend mutig vertreten: Wir erleben in den Auseinandersetzungen auf dem Campus, aber auch in der Stadt, das Engagement vieler, die für eine solidarische und progressive Alternative zum Status Quo wirken. So haben in der öffentlichen Diskussion um die Fortsetzung der „Exzellenzstrategie“ von Bund und Ländern – einem (Schein-)Wettbewerb um dringend benötigte Mittel, der die Fokussierung der Hochschulen auf verwertbare Forschung noch weiter zuspitzt – aus den unterschiedlichsten Ecken Wissenschaftler Kritik an der aktuellen Hochschulpolitik geäußert. Es wird immer klarer, dass eigentlich etwas anderes nötig wäre: Denn die Hochschulen könn(t)en gleich in zweifacher Hinsicht dafür wirken, dass die politischen Auseinandersetzungen rationalisiert werden: Einmal indem sie gesellschaftlich relevantes mit einem kritischen Ansatz zu erforschen versuchen, darüber Debatten anzetteln und so dafür wirken, dass Falschbehauptungen, Mythen und Irrtümer widerlegt werden können. Daraus können auch gleich Ansätze entstehen, wie sinnvollere Maßstäbe zur Bewertung und Lösungen für bestehende Probleme aussehen könnten. Meistens scheitert es aber nicht daran, dass einfach die guten Ideen fehlen. Ihre Schlagkraft kann wissenschaftliche Forschung nur dann voll entfalten, wenn sie bei vielen Menschen Erkenntnisprozesse auslöst und gesellschaftlich weiter verbreitet wird. Diese Funktion kommt nun vor allem dem Studium zu: Hier soll am wissenschaftlichen Gegenstand gelernt werden, gemeinsam mit anderen Kritik zu entwickeln und sich miteinander auf Augenhöhe auszutauschen. Rudi Dutschke, ein Vertreter der historischen 68er-Studierendenbewegung formuliert das Potential einer emanzipatorischen Wissenschaft treffender: „Die ‘Kritische Universität’ ist die Rückbesinnung auf den ursprünglichen Inhalt von Wissenschaft als Prozess der Selbstbefreiung des Menschen durch Aufklärung. Die gesellschaftliche Situation und ihre Möglichkeiten sollen analysiert werden, immer unter dem Aspekt der Veränderbarkeit in Richtung auf die Vermenschlichung der Gesellschaft. Dieser ursprüngliche Inhalt von Wissenschaft ist identisch mit dem Begriff der Demokratie.“ Wir können von den Hochschulen aus einiges bewegen, für eine rationale Lösung der aktuellen Krise wirken und die Notwendigkeit einer emanzipatorischen Politikwende deutlicher machen! Dafür gibt es eine erstrittene studentische Selbstverwaltungsstruktur – AStA, Stupa, FSRe – auf deren Grundlage wir dynamische Veränderungen anstoßen können: Lasst sie uns gemeinsam nutzen! Mehr Infos & Möglichkeiten sich einzubringen findet ihr unter www.asta-uhh.de






